Hallo Zusammen,
an diesem Sonntag, den 26.05.2019 finden Wahlen zum Europa-Parlament und Kommunalwahlen in mehreren Bundesländern statt. Dabei möchten wir an euch appellieren, von eurem Wahlrecht Gebrauch zu machen, um sich auf diesem Wege einem weiteren Rechtsruck in Europa entgegen zu stellen.
Zwar wollen wir nicht in den fatalistischen Tenor einstimmen, dass es sich um eine „Schicksalswahl für Europa“ handle, da die Befugnisse des Europaparlaments nach wie vor nicht denen nationaler Parlamente entsprechen. Trotzdem möchten wir darauf hinweisen, dass die Gefahr einer deutlichen Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse im Europaparlament bevorstehen könnte. Diese erscheint für ein paar wenige und bereits heute schon Privilegierte vielleicht wünschenswert. Für viele andere werden jedoch erhebliche Einschränkungen oder sogar Lebensgefahren damit verbunden sein.
In einzelnen Nationalstaaten kann man schon erkennen, welche Vorstellungen rechtspopulistische und rechtsradikale Parteien und Politiker*innen in Bezug auf demokratische Grundrechte vertreten. Nicht nur Gewaltenteilung, Presse- und Meinungsfreiheit oder der Schutz elementarer Menschen- und Minderheitenrechte sind für Rechtspopulisten lästige und zu überwindende Hindernisse. Auch Kultur- und Bildungseinrichtungen wie Schulen oder Universitäten sehen sich erheblichen Angriffen ausgesetzt.
Dabei braucht man gar nicht zwingend in andere Länder wie zum Beispiel Ungarn oder Polen schauen, wo die Angriffe auf demokratische Institutionen vorangetrieben werden. In Deutschland hat bereits das Auftreten der AfD und anderer rechter Organisationen dazu geführt, dass sich der politische Diskurs verschoben hat und Teile diskriminierender und menschen-verachtender Forderungen weiter in die sogenannte Mitte dringen konnten- Mit der irrwitzigen Begründung damit den Rechtsruck zu stoppen.
Im Wahlprogramm der AfD finden sich genügend Hinweise darauf, dass ihnen eine freie Lehre an Schulen oder Universitäten ein Dorn im Auge ist. Dass die Wahl bezüglich der Partnerin/des Partners und die eigene Lebensführung keine individuellen Entscheidungen sind, sondern sich am Nutzen für ein „deutsches Volk“ zu orientieren hätten. Dass Medien, die auf Gefahren rechter Politik hinweisen, Lehrer*innen, die zu sehr auf die jüngere deutsche Vergangenheit eingehen, oder Menschen, die rechten Aufmärschen entgegentreten, als undemokratisch bezeichnet werden. Und schließlich, dass soziale Rechte und Teilhabe weiter geschliffen werden sowie Vorsorge privatisiert und damit entsolidarisiert werden soll. Letztlich auch die Leugnung eines menschengemachten Klimawandels und dessen Bedrohungen für Milliarden Menschen, zeigen, dass von einer zukunftsfähigen Politik nicht die Rede sein kann.
Die AfD steht damit nicht allein und hat bereits angekündigt mit weiteren rechtspopulistischen und rechtsradikalen Parteien Europas eine Fraktion zu bilden.
Es gibt viel zu viel berechtigte Kritik an der Politik der Europäischen Union. Die europäische Grenzschutzagentur „Frontex“ soll weiter gestärkt werden, während zivile Seenotrettung im Mittelmeer kaum noch möglich erscheint und weiterhin Menschen ertrinken. Es gibt erstmals seit Jahrzehnten wieder harte Grenzen innerhalb des Schengen-Raumes und die Schuld daran wird auch noch den Menschen gegeben, die hier ihren Frieden und ihr Glück finden, oder einfach überleben wollen. Die soziale Ungleichheit zwischen dem „Norden“ und dem „Süden“ Europas nimmt stetig zu. Die Wirtschaftspolitik begünstigt vor allem die bereits starken Länder. Und schließlich ist Europa entweder direkt oder über Waffenlieferungen auch an diversen Kriegen beteiligt, die unzählige Menschenleben kosten und andere zur Flucht treiben. Und dies sind nur einige Beispiele.
Doch entgegen ihrer Darstellung haben die Rechtspopulist*innen und Rechtsradikale keine Antworten für diese Probleme, die nicht nationalistisch, rassistisch, chauvinistisch oder schlicht und einfach menschenverachtend und somit gegen jeglichen humanistischen Wertekanon gerichtet sind.
Wir als Studierende, Lehrende, Eltern, Söhne* und Töchter*, Liebende, Personen mit normalen oder weniger normierten Körpern und Geistern, Demokrat*innen und Anarchist*innen, Europäer*innen und Menschen aller Kontinente die hier in Frieden und Freiheit leben oder leben wollen, sind in wenigstens in einem der genannten Bereiche direkt betroffen.
Die EU kann und muss verändert werden. Aber lasst uns das Risiko eines Rechtsrucks in die Chance auf eine progressive Erneuerung der EU zum Wohle aller umwandeln. Ob an der Wahlurne, aktiv in der Parteipolitik oder außerparlamentarisch. Unsere Stimme gegen den Rechtspopulismus in Europa und überall!