Fachschaft 4 fordert eine Anti- Militarismus-Klausel im Leitbild der HWG
Der großflächigen Einmarsch des russischen Militärs in die Ukraine und die damit verbundene sinnlose Zerstörung von Leben, Städten und sozialer Infrastruktur, hat viele überrascht und zu Recht schockiert. In den seither vergangenen Wochen haben sich in weiten Teilen der Bevölkerung beachtenswerte -unter Rassismus-kritischer Perspektive auch fragwürdige- Solidarität und Hilfsbereitschaft gezeigt. Damit einhergegangen ist jedoch auch eine affekthafte Glorifizierung des Militärs und der kämpferischen Auseinandersetzung als Mittel der Politik. Geschichtsvergessen wird vom ersten Krieg in Europa geredet, um denjenigen Krieg an welchem man selbst beteiligt war, aus dem kollektiven Gedächtnis zu verdrängen.
Die nach den Regeln der Social-Media-Kunst durchgeführte Inszenierungen des ukrainischen Präsidenten, der sein Volk im Kampf für „westliche Werte“ standhaft anführt, aber auch die russische Propaganda von den ehrenhaft kämpfenden russischen „Antifaschisten“, hat vermeintlichen Heldenerzählungen wieder Konjunktur verschafft und damit einerseits zu einer Aufwertung des Militärs im Allgemeinen, aber auch einer Renaissance des starken Mannes und zu einen Rückschritt in vermeintlich überwundene Rollenbilder beigetragen. Außerdem wird weitestgehend unterschlagen, dass Ukrainern im „kampffähigen Alter“ die Ausreise aus dem Land verhindert wurde und ebenso wie auf der russischen Seite viele junge Männer in diesen Krieg und damit den Tod geschickt wurden, die sicher lieber einen Beruf erlernen oder an Hochschulen oder Universitäten studieren würden und gerne darauf verzichten würden, als „Helden“ zu sterben.
Wir sollten uns nicht blenden lassen und erkennen, dass, wie in allen anderen Kriegen auch, das Gerede über Ehre, Werte oder das Vaterland sinnlose Phrasen liefert, die bei den Vielen eine Kriegsmoral wecken sollen, um für die Interessen der Wenigen in den Krieg zu ziehen. Dabei sollte keineswegs außer Acht gelassen werden, dass die Folgen der ökonomischen Kriegsführung ebenfalls millionenfaches Leid verursacht und Menschen auf allen Seiten in existenzielle Nöte bringen wird.
Auch hierzulande konnten sich viele nicht des archaischen Reflexes erwehren, zum Beispiel über eine erneute Einführung der Wehrpflicht nachzudenken. Diese Idee ist zum Glück, trotz prominenter Fürsprecher*innen, wieder in den Hintergrund gedrängt worden, weil sich die Einsicht durchsetzen konnte, dass unsere Probleme mit dem aktuellen Krieg sicher nichts mit einer fehlenden Wehrpflicht in der BRD zu tun haben.
Dass es in Ausnahmesituationen nicht am Geld scheitert, hat Bundeskanzler Olaf Scholz mit einem 100Mrd Euro- Paket für die Bundeswehr eindrücklich bewiesen. Wir hoffen, dass sich daran erinnert wird, wenn Programme gegen den Klimawandel, für soziale Gerechtigkeit, die Aufnahme von Geflüchteten oder Investitionen ins Bildungssystem, mal wieder gegen ihre Kosten abgewogen und damit oft verhindert werden. Gerade die Unterfinanzierung des Bildungs- und Betreuungssystems ist in den vergangenen Corona- Jahren auf dramatische Weise offengelegt worden. Auch an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen am Rhein geht diese nicht vorbei, wie hier im Senat und auch in den Fachbereichsräten bei der Thematisierung der finanziellen Situation der Hochschule häufiger ersichtlich wurde.
So wichtig wie es auf politischer Ebene ist, für eine bessere finanzielle Ausstattung von Bildungsinstitutionen und sozialer Bildungsgerechtigkeit zu kämpfen, ist es von höchster Bedeutung, Wissen und Technologien dort wo sie hervorgebracht werden, vor einer militärischen Vereinnahmung zu bewahren. Aus diesem Grund fordern wir die HWG auf, ihr Leitbild dahingehend zu erweitern, dass die direkte Kooperation mit Organisationen aus dem militärischen Sektor abgelehnt wird sowie Forschung und Lehre sich an Zielen der Friedenssicherung und des zivilen Fortschrittes orientieren, wie es den nach außen hin kommunizierten Werten und dem Selbstverständnis entsprechen sollte.
Vorschlag:
Die Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen sieht sich …
„… als zivilgesellschaftliche Einrichtung, die sich für Frieden und Verständigung einsetzt und deshalb eine direkte Zusammenarbeit mit Rüstungskonzernen ausschließt sowie einer militärischen Nutzbarmachung der Wissenschaft durch eine kritisch-reflexive Praxis in Forschung und Lehre entgegen tritt.“